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Der Inspektor zu Gast

Wenn Christoph Gerber von bio.inspecta einen Bio-Hof unter die Lupe nimmt, tut er dies mit einem geschulten Auge, offenen Ohren und Respekt.

Die Anfahrt von Zollbrück nach Ober-Lehn ist steil und schmal. Die Strasse hinauf auf 900 Meter präsentiert sich kurvenreich. Christoph Gerber (60) ist unterwegs zu Bio-Bauer Beat Gerber (46). Der Inspektor von bio.inspecta hat sich für eine Hof-Inspektion angemeldet. Kein Schweizer Landwirtschaftsbetrieb, der das Bio-Knospe-Label erhalten hat, gilt für immer als Bio-zertifiziert. Jeder Hof wird im Auftrag von Bio Suisse mindestens einmal jährlich kontrolliert. Auch jeder, der Coop mit Naturaplan-Bio-Produkten versorgt – wie der von Beat Gerber. Er, seine Frau Barbara und die vier Kinder halten Mutter- und Milchkühe, Kälber, Ziegen, Pferde, Hühner, Schafe, Hunde und Katzen. Für Coop produzieren die Gerbers Bio-Fleisch von Kälbern und Mutterkühen sowie Ziegenmilch für die Käseproduktion.

Vor zwei Tagen hat sich Christoph Gerber bei Beat Gerber angekündigt. «Ich will sicher sein, dass der Bauer auf Platz und nicht im Wald am Holzen ist», sagt der Inspektor. Zudem steckt er mit dem Betriebsleiter im Vorfeld den Zeitrahmen der Überprüfung ab. So weiss dieser, wann er wieder zum Tagesgeschäft übergehen kann. Besteht bei angemeldeten Kontrollen nicht die Gefahr, dass der zu prüfende Betrieb Missstände vertuscht? «Nein», sagt Christoph Gerber, «die Bio-Vorschriften sind sehr streng. Da kann niemand etwas verstecken.» Zusätzlich zu den jährlichen Hauptkontrollen erfolgen unangemeldete Inspektionen.  

Gut genährt und voller Vertrauen
Der Kontrollgang beginnt bei den Ziegenstallungen. Die Geissen sind sauber, gut genährt mit Bio-Heu von den eigenen Feldern und zum Teil trächtig. Christoph Gerber steigt in eines der drei Gehege und beurteilt die Platzverhältnisse. Seelenruhig knabbern die Ziegen weiter am Heuvorrat. «Zeigt ein Tier Vertrauen statt Angst vor Fremden, ist das ein Indiz, dass es gut behandelt wird», sagt der Inspektor und streicht einer Ziege sanft über den Kopf. 

Nebst seiner Tätigkeit als Regionalleiter Espace Mittelland und Zentralschweiz bei bio.inspecta betreibt Christoph Gerber in Aeschlen einen Bio-Hof. «Praktiker prüft Praktiker», umschreibt er das System, «und das ist gut so.» Denn bei den Inspektionen ist Sachwissen gefordert. Die Bio-Suisse-Richtlinien erstrecken sich über 287 Seiten. Die Checkliste umfasst 2500 Punkte, die direkt am Laptop abgehakt werden. Hinzu kommen eidgenössische Tierschutz-Vorschriften.  

Fachwissen und «es Gspüri»
Christoph Gerbers Blick fällt auf eine kniende Ziege – eine unnatürliche Haltung. «Wir pflegen gerade ihre Klauen gesund», sagt Beat Gerber. «Womit?», fragt der Inspektor. Sie prüfen die Behandlungsmethoden und die Bodenbeschaffenheit im Winterquartier. «Respekt und Anstand ist zentral. Ich bin hier Gast, nicht Polizist», betont Christoph Gerber. Nebst Sachkenntnissen brauche er «Gspüri» für Mensch und Tier. Dabei helfen ihm seine 17 Jahre Erfahrung. Mängel hält er mit dem Fotoapparat fest.

In Ober-Lehn kommt die Kamera nicht zum Einsatz. Nach dem Augenschein der Auslauf-Zonen für Ziegen und Pferde steigen die Gerbers ins Auto. 100 Höhenmeter weiter oben ist der Kuhstall. Der Inspektor tätschelt den Muni: «So saubere und gesunde Tiere, da steckt Fleiss und Herzblut dahinter.»  

Auch das Büro muss stimmen
Zur Fleissarbeit zählt auch die Administration eines Bio-Hofes. In der Stube reicht Beat Gerber dem Inspektor das täglich nachzuführende Auslauf- und Weideprotokoll, Behandlungsjournale, Quittungen und Lieferscheine. Bestandeslisten bezeugen Geburten und weisen nach, dass alle Tiere, die Gerbers seit der letzten Kontrolle gekauft haben, von Bio-Höfen stammen. Der Inspektor schreibt nach zwei Stunden: «Intensiv, sauber geführter Bergbetrieb.» Er und der Bauer signieren den umfassenden Inspektionsbericht direkt am Bildschirm.

«Wir müssen Sorge tragen zur Erde», sagt Beat Gerber, warum er von Bio und Marken wie Coop Naturaplan überzeugt ist. «Wir haben eine Verantwortung gegenüber kommenden Generationen», ergänzt Christoph Gerber, «und sollten uns Gedanken machen über Ressourcen.» Auch deshalb schaut er bei den Hofkontrollen ganz genau hin. 

Dieser Artikel wurde am 28. Februar 2023 in der Coop Zeitung Region Bern publiziert.