
Klimabilanzierung in der Lebensmittelindustrie
Klimabilanzierungen von Landwirtschaftsbetrieben im Rahmen der Labelprogramme von Mutterkuh Schweiz und Silvestri AG
Ausgangslage
Die Landwirtschaft steht vor immer grösseren Herausforderungen, insbesondere im Bereich Klimaschutz und nachhaltige Produktion. Damit Sie ihren Betrieb zukunftssicher aufstellen und langfristig erfolgreich wirtschaften können, wird eine fundierte Klimabilanzierung wichtig. Sie hilft ihnen nicht nur, Emissionen zu erfassen und gezielt zu reduzieren, sondern auch Potenziale zur nachhaltigen Optimierung zu nutzen.
Um ihre Betriebe auf diesem wichtigen Weg zu unterstützen, haben die Bio-Kontrollstelle bio.inspecta mit ihren Markt-Partnern Mutterkuh Schweiz und Silvestri AG Klimaprogramme zur Bilanzierung und Reduktion von Emissionen vereinbart.
Gemeinsam schaffen wir eine zukunftsfähige Landwirtschaft! Gerne informieren wir an dieser Stelle über die wichtigsten Ergebnisse aus dem Jahr 2024.
Projekte
In Zusammenarbeit mit Mutterkuh Schweiz und Silvestri AG hat bio.inspecta Klimaprogramme erarbeitet und setzt diese nun erfolgreich um. In diesen Programmen wird über vier Jahre für alle der aktuell 1127 Betriebe, die für die Label «Natura-Beef Bio» oder «Silvestri Bio-Weiderind» produzieren, eine Klimabilanz gerechnet. Im Jahr 2024 betraf dies 25% der Betriebe.
Klima-Massnahmen zur Emissionsreduktion-, bzw. Kohlenstoffspeicherung können darauf basierend besprochen und in den kommenden Jahren umgesetzt werden. Die angewendeten Massnahmen sind auch Teil der Auslobung auf dem Klima-Zertifikat des Betriebes. Betriebe, die bereits Klima-Massnahmen umsetzen, erhalten ein Zertifikat „CO2-reduziert“, welches diese Leistungen entsprechend ausweist. Dies gilt nicht nur für die Betriebe an sich, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch für das Label, unter welchem sie produzieren. Dies zeigt den Willen und die Motivation der Labelprogramme, mit positivem Beispiel voranzugehen und ihre Potentiale im Klimaschutz zu nutzen.
Die Rindviehhaltung ist bei allen Betrieben in diesen Label-Programmen ein wichtiger Betriebszweig.
Lebensmittel, Emissionen und C-Senken im Fokus
Die Produktion von Lebensmitteln bringt zwangsläufig Emissionen mit sich. Von Maschinen und Betriebsmitteln über die Tierhaltung bis hin zum Düngemitteleinsatz – jeder Bereich eines Betriebs trägt zur Klimabilanz bei. Doch neben den Emissionen gibt es auch bedeutende Potenziale zur Kohlenstoffspeicherung. Betriebe können durch Massnahmen wie Agroforstsysteme, Humusaufbau, oder den Einsatz von Pflanzenkohle aktiv zur Reduktion der CO2-Belastung beitragen. Diese Emissionen und C-Senken werden einander gegenübergestellt und bilden zusammen die Klimabilanz. Die Klimabilanz kann durch gezielte Klima-Massnahmen, die viele Betriebe bereits umsetzen, weiter verbessert werden.
Das World-Climate Farm Tool, welches von der Carbon Standards International (CSI) entwickelt wird, gewinnt in der Praxis immer mehr an Bedeutung und Akzeptanz. Es ermöglicht die Emissionen von unterschiedlichen Betriebszweigen und Prozessen sowie deren Entstehung korrekt wiederzugeben. Die Emissionen und C-Senken werden in t CO2 Äquivalent nach zwei verschiedenen international anerkannten Metriken berechnet. Neben der Gesamtbetrieblichen Klimabilanz rechnet das World-Climate Farm Tool die Emissionen für die verschiedenen Prozesse, Tierkategorien und Ackerkulturen. Daraus können die Emissionen auf die einzelnen Produkte, wie Fleisch (bezogen auf Lebendgewicht) und Milch (beim Rindvieh) abgeleitet werden. Die Produkt-Klimabilanz gibt die Emissionen an, welche bei der Produktion am Landwirtschaftsbetrieb pro Kilogramm des hergestellten Produkts bis zum Hoftor entstehen.
Massnahmen zur Senkung der Emissionen im Betrieb
Die Massnahmen zur Senkung oder Kompensation der Emissionen sind ein wichtiges Werkzeug, damit bei den erkannten wesentlichen Emissionsquellen eine Senkung herbeigeführt werden kann. Die Kompensation von Emissionen wird durch Massnahmen der Kohlenstoffspeicherung erreicht.
Im Farm Tool hat jeder Betrieb die Möglichkeit, mit den Massnahmen, die er bereits umsetzt und Massnahmen, die er im kommenden Jahr umsetzen wird, «Klimapunkte» zu sammeln. Dazu kann er aus einem Katalog von 48 Massnahmen, aus den unterschiedlichen Bereichen wie Tierhaltung, Pflanzenbau, Hofdüngermanagement etc. auswählen. Jede Massnahme ist mit Punkten versehen – den Klimapunkten.
Erreicht der Betrieb genug Klimapunkte, kann er sich mit dem Zertifikat «CO2 reduziert» auszeichnen. Setzten genug Betriebe des Labels Massnahmen um, erhält auch das Label das Zertifikat „CO2 reduziert“. Dies ist für den Betrieb und das Label ein Mehrwert bei der Vermarktung seiner Produkte und spiegelt sein Engagement für eine klimafreundliche Landwirtschaft wider.
Gut zu Wissen
Eine Klimabilanz ist keine Wertung, ob ein Betrieb gut oder schlecht ist. Vielmehr zeigt sie auf, welches die bedeutenden Emissionsquellen und C-Senken auf dem Betrieb sind. Bei manchen Prozessen wie der Tierhaltung können nicht alle Emissionen vermieden werden.
Langfristig gesehen müssen grundsätzlich vor allem Emissionen aus fossilen Energieträgern verringert werden, um der Klima-Erwärmung konsequent entgegenzutreten. CO2-Emissionen aus Erdöl und Erdgas verweilen über mehr als 1000 Jahre in der Atmosphäre und müssen in Zukunft entweder stark reduziert oder, wenn immer möglich, vermieden werden.
GWP100 und GTP100 sind unterschiedliche wissenschaftlich anerkannte Metriken zur Messung von Treibhausgasen und führen zu unterschiedlichen Resultaten. GWP100 hat sich als Metrik etabliert und wird für Reportingzwecke angewandt. GTP100 bewertet die Klimawirkung von kurzlebige Treibhausgase, wie Methan deutlich geringer.
Wichtige Erkenntnisse
- Die in den Klimaprogrammen bisher bilanzierten Bio-Betriebe halten Rindervieh. Die Fütterung der Tiere basiert weitgehend auf Grünland aus eigener Bewirtschaftung. Es wird nur wenig Futter zugekauft, Kreislaufwirtschaft führt zu geringen Emissionen von zugekauften Betriebsmitteln wie Dünger oder Pflanzenschutzmittel.
- Die treibenden Kräfte hinter den Emissionen eines Betriebes sind die Tierhaltung, der Treibstoffverbrauch sowie Bodenemissionen. Weidewirtschaft und standortgerechte Landwirtschaft helfen, diese Emissionsquellen auf ein Minimum zu reduzieren.
- Die Mehrheit der Betrieb speichert jährlich CO2 in Form von Kohlenstoff-Senken: Bäume, Agroforst, Hecken sowie der Einsatz von Pflanzenkohle sind wichtige Beispiele.
- Einige Betriebe verbrauchen entweder nur wenig Strom, oder verfügen über eine eigene Stromproduktion, zum Beispiel eine Photovoltaikanlage.
- Viele Betriebe setzen bereits gezielt Klima-Massnahmen um und verbessern damit ihren CO2-Fussabdruck. Diese Massnahmen werden gewichtet und mit Klima-Punkten ausgewiesen. Dazu gehören unter anderem:
- Erneuerbare Stromproduktion
- Erhalt/Förderung von Hochstammbäumen und Hecken
- Gründüngung
- Erhöhter Weidegang
- Güllelagerabdeckung sowie Ausbringungsverfahren und -Zeitpunkt des Hofdüngers
- Maschinenkooperation
- Recycling von Silofolien
Gesamtbetriebliche Klimabilanz
Die 228 im Jahr 2024 bilanzierten Betriebe sind hauptsächlich rindviehhaltende Grünlandbetriebe, dies zeigt sich in der Verteilung der Tier- und Flächendaten, sowie in der Verteilung der Emissionen.
Rahmendaten Tierzahlen und Flächendaten
Abb. 1: Summe der Tier- und Flächendaten der Betriebe
Durchschnittliche Emissionen eines Betriebs nach Prozessen – Metrik GWP100 und GTP100
Abb. 3: Durchschnittliche Emissionen eines Betriebs eingeteilt nach Prozessen, Klima-Metrik GWP100
Abb. 4: Durchschnittliche Emissionen eines Betriebs eingeteilt nach Prozessen, Klima-Metrik GTP100
Der grösste Anteil der Emissionen fallen bei Betrieben mit Rindviehhaltung in der Tierhaltung an. Mit der Metrik GTP100 werden die Methan-Emissionen aus der Tierhaltung anders bewertet. Dies zeigt sich beim Vergleich der zwei Grafiken.
Durchschnittliche Emissionen und Senken eines Betriebs nach Höhenzone
Abb. 5: Durchschnittliche Emissionen und C-Senken eines Betriebs in Abhängigkeit der Höhenzone, Klima-Metrik GWP100
- Die durchschnittlichen Emissionen und C-Senken sind je nach Zone unterschiedlich.
- Ein Durchschnittsbetrieb in der Talzone hat im Schnitt mehr C-Senken. Dies liegt daran, dass zusätzlich Klima-Massnahmen (Gründünung etc.) im Ackerbau angewendet werden können und Hochstammbäume verbreiteter sind.
- Betriebe in der Bergzone 1 und in der Hügelzone kaufen im Schnitt mehr Betriebsmittel (Futtermittel, Saatgut) zu. Es zeigt sich, dass der Zukauf von Betriebsmitteln bei den bilanzierten Bio-Betrieben im Vergleich mit konventionellen Betrieben allgemein tief ist.
Mutterkuh: durchschnittliche Emissionen in % und absolute Verteilung nach Prozess
Abb. 6: Welche Emissionen werden einer Mutterkuh angerechnet und wie setzen sie sich zusammen (Einheit t CO2e/Jahr und in %), gemäss der Klima-Metrik GWP100
Eine Mutterkuh verursacht im Durchschnitt 4.5 t CO2e/Jahr. Es zeigt sich, dass neben der Verdauung, welche für 2.9 t CO2e/Jahr (63%) verantwortlich ist, das Hofdüngermanagement (14%) und die Eigenproduktion von Futter (16%) eine entscheidende Rolle spielen in der Mutterkuhhaltung. Die Energie (Strom) ist bei diesem Betriebszweig vernachlässigbar.
Ausblick und weitere Angaben
Das Projekt wird über die kommenden Jahre weitergeführt und im Zeitraum von 4 Jahren werden alle teilnehmenden 1127 Betriebe mindestens einmal bilanziert. Gerne machen wir Ihnen dazu auch weitere Angaben. Kontaktieren Sie uns per Email oder einfach telefonisch.